Wie verändert Open Banking das Nutzerverhalten bei der Finanzverwaltung? Und was müssen Banken tun, um Schritt zu halten? In meinem Gastbeitrag für den Blog der E-Learning Group habe ich diese und weitere Fragen beantwortet.

Hier finden Sie den gesamten Text:

Mehr Komfort für Kunden, digitale Disruption für das Geschäftsmodell der Banken: Wie ein neuer Standard die Spielregeln des Zahlungsverkehrs grundlegend verändert.

Vertrauen ist der Anfang von allem“ – Mit diesem bekannten Slogan warb die Deutsche Bank in den 1990er Jahren um Kunden. Keine Frage: Vertrauen ist eines der wichtigsten Assets, die eine Bank haben kann. Denn wir vertrauen unserer Bank eine Vielzahl an sensiblen Daten an – ob bei den Ein- und Ausgängen der Zahlungen auf unser Girokonto oder auch im Rahmen einer Kreditvergabe.

Umso interessanter ist der neue Trend des „Open Banking“, welcher in der Finanzbranche derzeit immer mehr Fahrt aufnimmt. Grob gesagt geht es dabei darum, dass Drittanbieter Zugriff auf die Kontodaten eines Bankkunden erhalten. Die Bankkunden sollen damit selbstständig darüber entscheiden, ihre Konten auch für andere Anbieter freizugeben und somit deren Services parallel zu nutzen.

Die kürzlich eingeführte EU-Richtlinie Payment Services Directive 2 (PSD2) schreibt Banken sogar explizit vor, dass sie derartige Schnittstellen bzw. „Systemzugänge“ für Drittanbieter einrichten müssen. Der Gesetzgeber will so den Wettbewerb zwischen den Banken und auch neuen Finanzdienstleistern stärken. Im bisherigen „geschlossenen“ System hatten die Banken schließlich exklusiven Zugriff auf die Kundendaten, was in einer Markteintrittsbarriere für neue Anbieter resultierte.

In diesem Blogbeitrag diskutiere ich die Auswirkungen des neuen Standards auf die (digitale) Finanzverwaltung wie auch die Finanzbranche als Ganzes – und gebe schließlich einen Einblick, wie traditionelle Banken Open Banking und digitales Marketing für sich nutzen sollten, um mit einem neuen Geschäftsmodell weiterhin am Markt vertreten zu sein.

Die neue digitale Autonomie der Finanzverwaltung

Welchen Vorteil bietet es nun für Bankkunden, ihr Konto einem Drittanbieter freizugeben? Zunächst einmal den, dass eine größere Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Anbietern von Finanzdienstleistern bei geringerem Aufwand besteht. So ließe sich beispielsweise ein Wertpapierdepot für einen externen Anlageberater (bzw. auch einen KI-gestützten „Robo Advisor“) freigeben, der die gewünschten Transaktionen tätigt. Oder es ließe sich ein Kredit bei einem Institut beantragen, mit dem bisher keine Geschäftsbeziehung besteht. Der Kreditanbieter erhält dann sofort Zugriff auf die relevanten Finanzdaten, die er für die Bewertung der Ausfallwahrscheinlichkeit benötigt.

Die Idee des Open Banking ähnelt derjenigen der in Deutschland geplanten elektronischen Patientenakte (ePA). Alle wesentlichen Informationen und Prozesse zur persönlichen Gesundheitsvorsorge (Arztbesuche, Medikamentenversorgung, etc.) sind darin zentralisiert gespeichert. Der Patient entscheidet darüber, welchem Institut welche Informationen zugänglich gemacht werden, zum Beispiel verschiedenen Fachärzten oder Kliniken. Im Open Banking ist es analog dazu möglich, Finanzdaten zentralisiert zusammenzuführen, um sich ein ganz individuelles Portfolio an Finanzdienstleistungen aus unterschiedlichen Anbietern zusammenzustellen. Der Verwaltungsaufwand ist dabei nicht höher, als würde man alle Dienstleistungen von nur einem Institut beziehen.

Die traditionelle „Hausbank“ weicht der Plattform-Ökonomie

Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf das tradierte Geschäftsmodell der Banken. Bisher vertrauten sich sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen üblicherweise einer „Hausbank“ an, die verschiedene Finanzdienstleistungen bündelt – wie beispielsweise Girokonto, Kreditvergabe oder Anlageberatung. Dies hatte den praktischen Vorteil, dass die Bank Zugriff auf alle Daten hat und bei Hinzunahme einer weiteren Dienstleistung keine administrativen Schritte erfolgen müssen. Die Bank hat einen tiefen Einblick in die finanzielle Situation ihres Kunden und kann daher sehr individuell beraten. Das Open Banking hat nun das Potenzial, dieses Modell einer „Full Service“-Bank zunichte zu machen. Die Datenhoheit liegt nun beim Kunden selbst und er erhält die Freiheit, ohne Zusatzaufwand den jeweils besten Anbieter für eine gewünschte Finanzdienstleistung zu wählen.

Dies führt dazu, dass sich der Wettbewerbsdruck für Banken stark erhöht. Nach dem bekannten „Five Forces“-Modell von Porter wären es vor allem die Bedrohung durch neue Anbieter sowie die Verhandlungsstärke der Abnehmer (also Kunden), die mehr Wettbewerb bringen und die bisherigen Profite gefährden. Ein strategisches Problem stellt sich überdies dadurch, dass ein „Full Service“- und ein „Boutique“-Ansatz sich in der Regel gegenseitig ausschließen. Das heißt, dass spezialisierte Anbieter meist ein besseres Angebot in ihrer jeweiligen Disziplin aufweisen als Generalisten. Die Generalisten profitieren aber dadurch, dass sie den Marktzutritt kontrollieren sowie die Möglichkeit haben, ein großes Spektrum aus einer Hand anzubieten. Dabei verringern sie den Aufwand für den Kunden bei dessen Einkauf. In der digitalen Plattformökonomie können sich Spezialanbieter jedoch auf gleicher Augenhöhe zu den Generalisten bewegen und ihr spitzes Angebot sehr gut skalieren. Eine ebensolche Plattformökonomie wird nun durch Open Banking in der Finanzwelt entstehen.

Neue Strategien, alte Stärken: Wie etablierte Kreditinstitute mit der möglichen Disruption durch Open Banking umgehen sollten

Wie sollten Banken also darauf reagieren? Ein Festhalten am Bisherigen ist aller Wahrscheinlichkeit nach ausgeschlossen. Denn das alte Geschäftsmodell der „Hausbank“ basierte auf der Exklusivität des Datenzugangs im geschlossenen System.

Prinzipiell gibt es nun zwei Möglichkeiten, mit denen Banken auf den Trend zur digitalen Plattform reagieren können:

Strategie 1: Aufbau einer eigenen Plattform – Hier agiert die Bank als Betreiber eines Marktplatzes für Finanzdienstleistungen, auf der auch Wettbewerber ihre Angebote platzieren können. Ein Beispiel hierfür ist der „ZinsMarkt“ der Deutschen Bank, auf dem sich Festgeldangebote verschiedener Banken vergleichen und einkaufen lassen.

Strategie 2: Angebotsteilnehmer auf einer Plattform – Banken nutzen Marktplätze und Plattformen als Vertriebskanäle für spezielle Dienstleistungen, um neue Kunden zu akquirieren. Hierdurch erhalten sie vermittels Open Banking Zugang zur Kundenbasis anderer Banken.

Je nach individueller Marktsituation wird sich eine Bank für Strategie 1, Strategie 2 oder eine Kombination aus beiden Strategien entscheiden. Tendenziell werden es eher große Banken sein, die Plattformen anbieten und kleine Banken, die spezielle Finanzdienstleistungen auf Plattformen platzieren.

Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Strategie ist das digitale Marketing das A und O für den Erfolg. Marktplätze und Plattformen, über welche die Vermittlung von Finanzdienstleistungen erfolgt, werden miteinander in Wettbewerb stehen. Hier entscheidet vor allem die User Experience (UX) darüber, wie häufig der Kunde die jeweilige Plattform nutzt. Nehmen Finanzdienstleister als Anbieter in einer Plattform teil, müssen sie ähnliche Kompetenzen aufbauen, wie sie erfolgreiche Online-Händler bereits heute haben. Dazu gehören vor allem eine dynamische Preisgestaltung, die Optimierung der Auffindbarkeit des eigenen Produkts auf den verschiedenen Plattformen sowie die Zusammenarbeit mit Affiliate-Netzwerken, um möglichst viele Kunden online abzuholen.

Am Ende des Tages haben traditionelle Banken jedoch weiterhin einen entscheidenden Vorteil: Nämlich ihre etablierte Marke und das darin versammelte Vertrauen der bisherigen Kunden. Der Spruch „Vertrauen ist der Anfang von allem“ gilt auch und gerade heute noch. Die Marken und das ihr entgegengebrachte Vertrauen zu pflegen und weiterzuentwickeln ist der wichtigste Schritt für Banken, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein.

Dabei kommen allerdings auch neue Herausforderungen im Rahmen eines digitalen Brand Managements auf die Banken zu: Sie müssen ihre Marke auch in den digitalen Kanälen und Plattformen erlebbar machen. Die Anforderung der traditionellen Markenführung, das Markenimage stets konsistent zu halten, weicht dabei auf – zugunsten einer dynamischen Präsentation der Marke, die auf die jeweilige Zielgruppe oder sogar Einzelperson genau zugeschnitten ist.

Felix Schönherr aus Augsburg ist Kommunikationsberater und Teilnehmer des MBA-Studiengangs „Digital Marketing & Data Management“ der FH des BFI Wien.

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